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Herausforderung Leichte Sprache: Erwachsenen-Bildung auch für Lese-Schwache?
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Laut der letzten LEO-Studie können 6,2 Millionen Menschen in Deutschland nicht richtig lesen und schreiben. Um diese Gruppe mit geringer Literalität dennoch nicht auszuschließen, wurde die „Leichte Sprache“ entwickelt. Mit ihrer Hilfe kann auch Erwachsenenbildung diese Menschen erreichen. Texte dieser Art versuchen, die wichtigsten Inhalte mit möglichst leicht lesbaren Wort- und Satzeinheiten zu transportieren.
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Arbeitsmarktprojekt mit Broschüre in Leichter Sprache
Im Rahmen eines Arbeitsmarktprojekts, bei dem Menschen mit einer Schwerbehinderung mit verschiedenen Methoden in Arbeit vermittelt werden sollten, habe ich mich vor kurzem mit dem Konzept der Leichten Sprache vertraut gemacht. Herausgekommen ist eine Broschüre, die Menschen als lokaler Wegweiser dienen soll, wie sie vor Ort mit Jobcenter und Arbeitsagentur umgehen und wie sie letztlich eine neue Stelle finden können.
Der eigentliche Lerneffekt setzte dabei nicht unbedingt nur bei den Menschen ein, die diese Broschüre nutzten, sondern vor allem bei den Produzenten ein: Es gibt ziemlich klare Regeln, die der Verein „Netzwerk Leichte Sprache“ 2006 festgelegt hat. Diese umzusetzen (siehe Beispiele für EPALE unten) ist selbst für einen geübten Schreiber nicht einfach und ungewohnt. Am schwierigsten aber ist es, zwei alte und grundsätzliche Regeln jeder Informationsvermittlung in höchster Radikalität anzuwenden: zu vereinfachen und zu reduzieren.
Reduktion und Vereinfachung
Schon in der normalen Informationsvermittlung – wie beim Journalismus und auch in der Erwachsenenbildung – müssen komplexe Zusammenhänge in eine verstehbare und interessante Form transformiert werden. Diese „Reduktion von Komplexität“ ist ein entscheidender Vorgang, der oft auch kritisiert wird. („Bei dem Artikel fehlt ja die Hälfte!“) Bei der Leichten Sprache wird die Information nun auf eine minimale Kernaussage eingedampft. Da heißt es, sich zu entscheiden: „Was ist nun das Wichtigste?“ In unserem Team bei dem Arbeitsmarktprojekt haben wir mehr über diese Fragen diskutiert, als über Wortwahl und Satzbau in der Broschüre. Besonders häufig entbrannte die Debatte bei Begriffen und Satzkonstruktionen, die als Standard geläufig oder sogar (gesetzlich) vorgegeben sind. Als Lösung haben wir einfache aber klare Beispiele herangezogen, um den Sachverhalt darzustellen. Statt z.B.: „Hans absolviert eine berufliche Rehabilitation“ diese beispielhafte Umschreibung: „Hans hatte einen Unfall. Er kann seinen alten Beruf nicht mehr machen. Er muss einen neuen Beruf lernen.“
Grundregeln für die Leichte Sprache
Der nächste Punkt bei der Leichten Sprache ist der Wortschatz. Man sollte mit einem Set von verständlichen Grundwörtern auskommen, die gerne auch immer wieder vorkommen. Die Satzstruktur soll möglichst einfach sein (Subjekt, Prädikat, Objekt), Nebensätze sind ebenso zu vermeiden wie passive Konstruktionen. Umstritten und ungewohnt sind für alle Schreibenden vor allem die Binnentrennung von Komposita, also: „Erwachsenen-Bildung“ und die Umsetzung von Fremdwörtern in Lautsprache: Kompjuta. Wenn dann ein solcher Text entstanden ist, sollte er schließlich von Menschen, die Leichte Sprache nutzen, gelesen werden. Die Behindertenbeauftragten in den Städten und Kreisen bzw. Mitarbeitende von entsprechenden Verbänden helfen da gerne weiter.
EPALE – in Leichter Sprache
Wie würde nun als Beispiel EPALE in Leichter Sprache zu beschreiben sein? Hier ein Versuch:
EPALE heißt ein Angebot im Internet. Dort sind viele Texte über Erwachsenen-Bildung. Jeder kann EPALE mit dem Kompjuta lesen.
Das Wort EPALE ist eine Abkürzung. Es bedeutet: “Electronic Platform for Adult Learning in Europe”. Das ist Englisch. Auf Deutsch heißt das: elektronische Platt-form für Erwachsenen-Bildung in Europa.
Jeder kann eigene Texte auf EPALE stellen. Die Texte sollen von der Bildung für Erwachsene handeln. Damit sind viele Themen gemeint. Zum Beispiel: Wie lerne ich eine neue Sprache? Viele Menschen sind arm. Wie können sie Kurse besuchen? Wie können sich Lehrer fortbilden? Wie lernen wir in Zukunft?
Jeder kann sich über Erwachsenen-Bildung informieren. EPALE kostet nichts. Es gibt Artikel, Nachrichten und Tipps. Jeder darf seine Meinung zu anderen Texten schreiben.
EPALE gibt es schon seit 5 Jahren. EPALE gibt es in vielen Ländern in Europa. Es wird von der Europäischen Union bezahlt.
Letztlich dient die Leichte Sprache dazu, möglichst allen Menschen einen Zugang zu Informationen zu geben. Beim Umgang mit dem Thema wurde vor allem klar, wie wichtig es ist, intensiv die Perspektive der Leserinnen und Leser einzunehmen. Können wirklich alle die Informationen im Text nachvollziehen, auch wenn sie nicht den gleichen Erfahrungshorizont haben? Die Lust an sprachlicher Schönheit, eleganter Ausdrucksweise oder differenziertem Akademikerjargon soll da – in Demut – in den Hintergrund treten.
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Über den Autor:
Dr. Michael Sommer ist Diplom-Journalist und war fünf Jahre wissenschaftlicher Mitarbeiter für Journalistik und Pädagogik. Seit 1993 ist er für die Akademie Klausenhof und die Katholische Erwachsenenbildung Deutschland (KEB) als Journalist, Pressereferent, verantw. Redakteur der Zeitschrift „Erwachsenenbildung“, in der medienpädagogischen Bildungsarbeit und in europäischen Projekten tätig. Er ist des Weiteren EPALE Botschafter.
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Acronyms are a very good example for exclusive language. They can save time, but are only understood by someone with previous knowledge. During my journalistic training I learned that one has to give the long version once and the acronym in brackets, before using the acronym further on. But that was „old school“, in times of twitter one uses lots of those abbrevations (acronyms, shorter homophons like „U2“ instead of „you, too“, etc.) without explanations.
By the way: IMHO and AFAIK I am AFK now :-)- Logáil isteach or cláraigh to post comments or vote

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Eine selbst bestimmte Teilhabe bedeutet auch, dass Menschen mit Behinderung in die Lage versetzt werden, Inhalte von Verträgen und anderen Dokumenten, die sie unterschreiben müssen, zu verstehen. Die Diakonie Mitteldeutschland hat in ihrem Erasmus+ Projekt "Redet mit uns, nicht über uns" Erläuterungen zu Vertragsdokumenten in leichter Sprache entwickelt:
- Erläuterungen zur Teilnehmervereinbarung (link is external)in leichter Sprache
- Erläuterungen zum Teilnehmerbericht (link is external)in leichter Sprache
Mehr über das Projekt auf der Website (link is external) der NA beim BIBB.
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