Wie kann der Skills for Life Ansatz in der Basisbildung verankert werden und welche methodischen Ansätze wären förderlich?
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Vom Begriff zum Programm
Betrachtet man die Entwicklung der Förderung der Basisbildung in Österreich, so kann der Prozess von Einzelprojekten hin zu einem Programm gut beobachtet werden. Zunächst wurden lediglich Einzelprojekte gefördert, dann hat es eine eigene Förderschiene gegeben – nun wird die Initiative Basisbildung realisiert. Dieser Weg ist – wie bei vielen anderen Thematiken auch – ein Prozess der zuerst sehr offen gestaltet wird und sich zunehmend zu einem standardisierten Programm entwickelt.
Beim Skills for Life-Ansatz könnte ein ähnlicher Zugang gewählt werden, wobei zunächst ein offener Zugang gewählt wird, wo es wenig Einschränkungen gibt und vor allem die Breite des Zuganges berücksichtigt werden kann. In weiterer Folge könnten dann auch, ähnlich wie in der Basisbildung, eigene Programme gestaltet werden.
Auf der Definitionsebene bevorzuge ich den WHO-Zugang, die Lebenskompetenzen als Fähigkeiten zu definieren, "die es den Menschen ermöglichen, ihr Leben zu steuern und auszurichten und ihre Fähigkeit zu entwickeln, mit den Veränderungen in ihrer Umwelt zu leben und selbst Veränderungen zu bewirken".
Wichtig dabei ist, dass die grundsätzlichen Intentionen des „Skills for Life“-Ansatzes – wie der Name schon sagt – die Lebenskompetenzen als Kompetenzen zur Bewältigung des Lebens gesehen werden und nicht auf die unmittelbare Verwertbarkeit am Arbeitsmarkt reduziert werden. Erste Anzeichen sind erkennbar, da der Ansatz in die übergeordnete Europäische Kompetenzagenda eingebunden ist, die eher die Förderung der Anpassungsfähigkeit der Menschen im Fokus hat.
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Lebenskompetenzen in der Basisbildung – der Zugang von learn forever
Wo können diese Kompetenzen nun gut vermittelt werden? Aus meiner Sicht bietet sich neben der Schul- und Berufsbildung auch die Basisbildung an. Lebenskompetenzen können nicht abstrakt gelernt werden. Diese Kompetenzen können daher am ehesten als Querschnittsaufgabe in Basisbildungsangebote integriert werden. Im Rahmen der Basisbildung werden nämlich genau jene Skills entwickelt, die dem Skills for Life Ansatz entsprechen. Lernende setzen sich mit ihren Lernstrategien auseinander, die Lerninhalte orientieren sich an den Lebenswelten der Teilnehmenden, digitale Kompetenzen werden aufgebaut, um nur einige Aspekte zu nennen. Zudem wird die gesellschaftliche Teilhabe gefördert.
Ich möchte nun eher den Zugang der methodischen Ebene beschreiben, die wir in learn forever gewählt haben: Learn forever ist ein Expertinnennetzwerk, das sich seit mehr als 20 Jahren der Förderung der Weiterbildungsbeteiligung von bildungsbenachteiligten Frauen widmet und dabei insbesondere neue Lehr- und Lernmethoden entwickelt, pilotiert und schließlich der Erwachsenenbildungs-Community zur Verfügung stellt.
Wenn wir uns nun unseren Zugang in learn forever ansehen, so haben wir vor allem einen methodischen Zugang gewählt, der die Kompetenzen stärkt. Lebenskompetenzen werden dabei als Querschnittsbereich gesehen, sie sind also nicht Gegenstand, sondern es sind Fähigkeiten, die beim inhaltlichen Kompetenzaufbau mitentwickelt werden. Wenn Lernen nun ein reflektorischer Prozess ist, müssen sie aber auch sichtbar und damit reflektierbar gemacht werden. So müssen neben vielen anderen Fähigkeiten die Kompetenzen der Selbstorganisationsfähigkeit, der Eigenermächtigung und der Fähigkeiten Informationen zu beschaffen und einzuschätzen sowie die Selbstwirksamkeitsüberzeugung hervorgehoben werden.
Es hat sich nun gezeigt, dass die Methode des „Flipped Lernens“ dabei besonders geeignet ist, diese Lebenskompetenzen zu entwickeln und zu stärken. Beim Flipped Lernen handelt es sich sozusagen um ein verkehrtes Klassenzimmer. Lernen wird auf den Kopf gestellt! Das bedeutet im Konkreten, dass im Gegensatz zum üblichen Lernprozess, bei dem im Kursraum ein Inhalt vermittelt wird und die Lernenden die Inhalte zu Hause üben, im Flipped Lernen sich die Lernenden mit einem Lernstoff selbst auseinandersetzen. In einer individuellen Lernphase und in einer Präsenzphase wird das Lernen also kollektiv verfestigt und in Diskussionsprozessen ausgetauscht. Damit bestimmen Lernende individuell den Lernstoff entsprechend ihrem Tempo, sie können sich mit einem Lernstoff öfter und intensiver befassen und erst im Gruppenlernen wird sichergestellt, dass sie den Lernstoff erfasst haben und sie können es in einer gemeinschaftlichen Phase üben.
Diese Methode wurde in den USA entwickelt und bislang eher auf akademischem Niveau eingesetzt. Wir haben diese Methode im Expertinnennetzwerk learn forever für die Zielgruppe der bildungsbenachteiligten Frauen adaptiert. Die Teilnehmenden erarbeiten sich eigenständig einen Lernstoff, wobei hier auf Medienvielfalt Wert gelegt werden sollte. Digitale Kompetenzen sind dabei hilfreich, und wenn nicht vorhanden, so müssen sie aufgebaut werden. Zum Einsatz kommen Arbeitsblätter, E-Books, Lernvideos, Learning Apps, um nur einiges zu nennen. In der eigenständigen Erarbeitung eines Lernstoffes lernen die Teilnehmenden eigene Lernstrategien zu entwickeln, ihr Wissen einzuschätzen, aber auch nicht Verstandenes oder Unverständliches zu benennen. In der Präsenzphase finden Diskussionen über das Gelernte statt, Fragen werden beantwortet, der Lernstoff geübt. Damit erfolgt in gegenseitigem Austausch und nicht in einem vorgegebenen Prozess die Festigung des Gelernten. Um Lernprozesse zu reflektieren, werden Lerntagebücher geführt.
Was sind nun unsere Erfahrungen?
Die Lebenskompetenzen entwickeln sich dabei während des gesamten Lernprozesses. Die Teilnehmenden haben neben den Grundkompetenzen vor allem gelernt, sich Wissen eigenständig anzueignen und durch gemeinsames Üben ins Können zu transformieren. Sie konnten nach der Teilnahme an diesem Lernangebot Herausforderungen besser einschätzen und fühlten sich imstande diesen zu begegnen, sie sind mutiger geworden und es wurde auch die Selbstwirksamkeitserwartung als Kompetenz weiterentwickelt. Aber auch durch den Austausch mit den Kolleginnen wurde kritisches Denken angeregt und ihre Kommunikationsfähigkeiten gestärkt – vor allem beim Einnehmen einer Meinung bzw. einer Haltung und beim Finden von Argumenten, um diese Position zu verteidigen, wurde dies sichtbar.
Leider gibt es viel zu wenig Lernmaterialien, um diesen sehr spannenden Ansatz großzügig weiterzuverfolgen. Wir haben allein in unserem Netzwerk über 300 Lernmaterialien entwickelt. Und der Beitrag zum Lebenslangen Lernen: Fast alle Teilnehmerinnen haben Freude am Lernen gefunden und möchten auch in Zukunft weiterlernen.
Was braucht es:
- Digitale Kompetenzen der Lernprozessbegleiter:innen
- Ausreichende Ressourcen, denn die derzeitigen Bedingungen im Rahmen der Initiative Basisbildung lässt zu wenig Spielraum für Online-Lernangebote
- Zutrauen und Vertrauen
- Gute Balance zwischen Fördern und Fordern
- Freude, sich auf etwas Neues einzulassen
Insgesamt zeigt sich, dass mit diesem methodischen Ansatz ein Beitrag zur Umsetzung des Skills vor Life Ansatzes geleistet wird. Wir möchten andere Erwachsenenbildungseinrichtungen damit ermutigen, das Konzept des Flipped Lernens kennen zu lernen und selbst anzuwenden!
Zur Autorin:
Mag.a Elke Beneke, MBA, ist Projektkoordinatorin beim Verein für Bildung und Lernen, seit fast 20 Jahren Projektkoordinatorin des Projektes learn forever. Als Soziologin und Ethnologin sowie ausgebildete Prozessmanagerin beschäftigt sie sich mit der Entwicklung und Umsetzung von innovativen Bildungskonzepten im Bereich der Basisbildung, der Community Education als auch in der Weiterbildung im Bereich des Ehrenamtes. Elke Beneke ist Mitglied im EPALE Advisory Board seit 2017.
über diesen Blog:
Dieser Beitrag basiert auf einem Vortrag am 24. März auf der EPALE und Erasmus+ Konferenz 2022: "Life Skills im Fokus der Erwachsenenbildung". Weitere Informationen