My e-Start – Einstieg in die digitale Welt für benachteiligte Gruppen
Ausgrenzung durch Digitalisierung
Die Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) haben viele Branchen beeinflusst und die Art und Weise verändert, wie Menschen interagieren, arbeiten und wie sie ausgebildet werden.
Online-Dienste für Bürger und Unternehmen sollen einfachere, günstigere und schnellere Verwaltungsvorgänge ermöglichen. Laut dem E-Government-Benchmark 2019 der Europäischen Kommission macht die Bereitstellung digitaler öffentlicher Dienstleistungen jedes Jahr Fortschritte wobei Malta, Estland und Österreich zu den Spitzenreitern gehören.
Viele europäische Länder bieten bereits eine breite Palette von Verwaltungsvorgängen online an, darunter Anträge auf persönliche Dokumente, Adress- und Namensänderungen, Rentenanträge oder Einkommensteuererklärungen. Der künftige Trend ist offensichtlich: Die Nachfrage nach solchen Diensten steigt kontinuierlich – nicht zuletzt durch wiederholte Corona-bedingte Kontaktbeschränkungen - und damit auch die Umsetzung durch Regierungen und Unternehmen.
Auch im privaten Bereich schreitet die Fokussierung auf das Internet voran, sei es Online-Banking, Online-Shopping, die Nutzung sozialer Medien oder Online-Zahlungsmethoden. Der zunehmende Trend der Internetnutzung in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens führt nicht automatisch zu einer Verringerung der digitalen Ungleichheit: Die sogenannte "digitale Kluft" oder "digitale Spaltung" ist ein Phänomen, das von der OECD (2002) definiert wurde als "die Kluft zwischen Einzelpersonen, Haushalten, Unternehmen und geografischen Gebieten auf unterschiedlichen sozioökonomischen Ebenen in Bezug auf ihre Möglichkeiten des Zugangs zu Informations- und Kommunikationstechnologien und ihre Nutzung des Internets für eine Vielzahl von Aktivitäten".
Benachteiligte Personengruppen leiden besonders unter der wachsenden Kluft.
Darüber hinaus bedeutet die ständig zunehmende Verlagerung auf elektronische Behördendienste und den elektronischen Geschäftsverkehr, dass persönliche Gespräche und Verabredungen durch Automatisierung und Selbstverwaltungssysteme ersetzt werden. Von den Menschen wird erwartet, dass sie sich selbst auf diese neuen Ansätze einstellen, was vor allem bei benachteiligten Personen zu Schwierigkeiten führen kann, da diese in der Regel über geringere IKT-Kenntnisse verfügen und sich daher nicht so schnell wie andere an das sich verändernde Umfeld anpassen können.
Wie die Ergebnisse von Eurostat (2019) zeigen, spielen Alter und Bildungsniveau eine wichtige Rolle bei der Nutzung öffentlicher elektronischer Dienste: Jüngere Menschen und solche mit höherem Bildungsniveau nutzen E-Government und interagieren viel häufiger online mit Behörden. Daher ist es von entscheidender Bedeutung, benachteiligte Personen gezielt zu unterstützen und ihnen zu helfen, die für die Nutzung elektronischer Dienste erforderlichen Fähigkeiten zu erwerben.
My e-Start: Unterstützung für Benachteilige
Das Erasmus+ Projekt My e-Start, das vom Landkreis Kassel in Kooperation mit dem deutschen Bildungs- und Projektnetzwerk BUPNET sowie mit europäischen Partnerorganisationen aus Bulgarien, Großbritannien, Österreich und Zypern in vier Sprachen durchgeführt wird, setzt genau dort an: Zugeschnitten auf die Zielgruppe, die besonders von digitaler Ausgrenzung bedroht ist, wurde ein Kursangebot geschaffen, welches in leichter Sprache digitale Kompetenzen vermittelt.
My e-Start zielt darauf ab, benachteiligte Erwachsene mit den notwendigen Fähigkeiten auszustatten, um die gängigsten elektronischen Behördendienste und den elektronischen Handel in ihren Ländern zu nutzen und eine positive (erste) Erfahrung mit der elektronischen Welt sowie ein Gefühl des digitalen Erfolgs zu gewährleisten. Um die Bedürfnisse dieser Gruppe zu ermitteln, führten die Partner in jedem teilnehmenden Land Untersuchungen durch, wobei die Unterschiede zwischen den Ländern und auch innerhalb der Länder selbst berücksichtigt wurden. Ziel dieser Untersuchung war es, herauszufinden, welche digitalen Dienste in den Partnerländern verfügbar sind und wie die Bürger diese nutzen können.
In keinem Land entspricht das Niveau der digitalen Grundkenntnisse, wie sie im DESI (The Digital Economy and Society Index) definiert sind, der Zahl der Internetnutzer. So hat sich eine gefährliche digitale Kompetenzlücke entwickelt, die die Bürger zu einer leichten Beute für Datendiebstahl, Betrug und Desinformation macht.
My e-Start richtet sich an die Gruppen, die am meisten von der digitalen Welt ausgeschlossen sind. Dies sind beispielsweise ältere Personen: Das Alter ist der wichtigste Vorhersagefaktor für die digitale Ausgrenzung. Neben dem Alter wirken sich auch der Bildungsstand, der wirtschaftliche Status und das Vorliegen einer Behinderung auf die Nutzung digitaler Dienste aus. Menschen mit einem niedrigeren Bildungsstatus, die nicht erwerbstätig sind oder an einer Behinderung leiden, nutzen Online-Dienste eher seltener. Darüber hinaus gibt es weit verbreitete Sicherheitsbedenken, die die Menschen daran hindern, die ihnen zur Verfügung stehenden potenziellen Dienste in vollem Umfang zu nutzen.
Mit My e-Start digitale Kompetenzen erwerben
Um die ihnen zur Verfügung stehenden elektronischen Dienste effektiv nutzen zu können, benötigen benachteiligte Erwachsene bestimmte Fähigkeiten und Kompetenzen. Die dem My e-Start Kurs zugrundeliegende Recherche und Analyse von 26 häufig genutzten elektronischen Behördendiensten und E-Commerce-Diensten in Österreich, Bulgarien, Zypern, Deutschland und Großbritannien hat ergeben, dass sie lernen müssen, wie man:
- online nach Informationen sucht und diese filtert
- diese Informationen bewertet
- sich mit Hilfe digitaler Technologien gesellschaftlich engagiert
- die eigene digitale Identität verwaltet
- die eigenen, persönlichen Daten schützt
- technologische Lösungen für die eigenen Bedürfnisse identifiziert
Um die genannten Kompetenzen zu vermitteln, wurde im Rahmen des My e-Start Projektes ein Online-Kurs bestehend aus 6 Modulen entwickelt.
Modul 1: Browsen, Suchen, Finden
Modul 2: Sicherheit, Datenschutz, digitale Identität
Modul 3: Kommunikation, Hilfe suchen
Modul 4: Online-Zahlungen
Modul 5: Elektronische Behördengänge (E-Government)
Modul 6: Elektronischer Handel (E-Commerce)
Die ersten 4 Module sind Basismodule, in denen die Grundlagen der Internetnutzung vermittelt werden, während die Module 5 und 6 angewandte Module sind, in denen die spezifische Nutzung von E-Government- und E-Commerce-Diensten vermittelt wird.
Für die Schulung benachteiligter Erwachsener ist die Art und Weise, wie die Informationen präsentiert werden, besonders wichtig. My e-Start nutzt das Konzepte der Leichten Sprache, das speziell für Menschen mit Lernschwierigkeiten oder eingeschränkten Sprachkenntnissen entwickelt wurde, um komplexe Sachverhalte zu vereinfachen und das Verständnis von Texten zu verbessern.
Die benutzerfreundliche E-Learning-Plattform des My e-Start Projektes steht aktuell auf Englisch und Deutsch zur Verfügung und wird bis Mai 2022 noch um die griechischen und bulgarischen Kursangebote erweitert. Die Plattform ist speziell für die Nutzung durch benachteiligte Gruppen konzipiert und zeichnet sich durch besonders einfache Navigationselemente aus. Zugang zur My e-Start Lernplattform erhalten Sie über die Projektwebsite. Dort finden Sie auch detaillierte Informationen zu den Kursinhalten sowie Projektneuigkeiten und weitere Produkte. Im Sommer 2022 folgt unter anderem ein ausführliches Handbuch für Trainer, welches das notwendige Know-How vermittelt, um den Online-Kurs in Präsenzschulungen durchzuführen. Besuchen Sie uns daher regelmäßig auf unserer Website https://my-estart.eu/.
Angaben zur Autorin:
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Sarah Elisa Wild, Wirtschaftspsychologin (M.Sc.), koordiniert als Projekt-Managerin seit über 10 Jahren europäische Projekte für blinc und BUPNET. |
Bildquelle
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