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MINCE – Model for Inclusive Community Education

Menschen mit schweren und schwersten Behinderungen stehen oft am Rande unserer Gesellschaft. Nach wie vor ist deren soziale Inklusion und gesellschaftliche Partizipation nicht zufriedenstellend gelöst. Das Projekt MINCE verfolgte das Ziel, die Inklusion von Menschen mit schweren und schwersten Behinderungen in der Gesellschaft zu verstärken.

Dieser Artikel ist Teil der EPALE-Publikation "Upskilling Pathways - Chancengleichheit und Partizipation durch Erwachsenenbildung", welche im November 2018 erscheint.

Autorin: Karin Kicker-Frisinghell | Lebenshilfen Soziale Dienste GmbH

Menschen mit schweren und schwersten Behinderungen stehen oft am Rande unserer Gesellschaft. Nach wie vor ist deren soziale Inklusion und gesellschaftliche Partizipation nicht zufriedenstellend gelöst. Das Projekt MINCE verfolgte das Ziel, die Inklusion von Menschen mit schweren und schwersten Behinderungen in der Gesellschaft zu verstärken. Damit folgte das Projekt dem Artikel 19 der UN Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung und der darin formulierten Forderung nach unabhängiger Lebensführung und Einbeziehung in die Gesellschaft. Nach dem ICF-Modell der WHO (International Classification of Functioning, Disability and Health)[1] sind bei dieser Personengruppe sowohl mentale als auch sensorische Funktionen von der Beeinträchtigung betroffen. In der Lebensrealität der Menschen bedeutet dies, dass sie in fast allen Lebensbereichen auf personelle und materielle Unterstützung angewiesen sind. Außerdem sind Menschen mit schweren Behinderungen in der Gesellschaft oft nicht sichtbar, leben nach wie vor größtenteils in Institutionen, sehr oft in isolierten Settings. Diese öffentliche Absenz trägt unter anderem zur Exklusion von Menschen mit schweren Behinderungen bei (vgl. Jantzen 2015, S. 53).

Im Projekt MINCE entwickelten die Lebenshilfen Soziale Dienste GmbH mit Partnern aus Bulgarien, Deutschland, Kroatien, Polen, Portugal und Slowenien ein innovatives Modell für inklusive Community Education. Die Idee war, dass einzelne soziale Räume, Nachbarschaften, Gruppen – Communities – gemeinsam lernen, wie sie zukünftig inklusive Angebote (z.B. niederschwellige Bildungs- und Lernmöglichkeiten) schaffen, an denen alle Menschen, also auch Menschen mit schweren und schwersten Behinderungen, teilnehmen können. Die Projektidee basiert auf dem Anspruch, dass Inklusion gelingt, wenn alle gesellschaftlichen Systeme gemeinsam daran arbeiten, wenn Inklusion als Aufgabe der Gesellschaft gesehen wird und die Herausforderungen, denen Menschen mit schweren Behinderungen gegenüberstehen, nicht länger als individuell zu lösende Probleme bei den Betroffenen verbleiben. Inklusion findet immer in einem wechselseiteigen Prozess zwischen Individuum und Gesellschaft statt und kann auch nur in diesem Zusammenspiel vorangetrieben werden und schließlich gelingen.

Aufstellungsübung zum Thema „Exklusion – Separation – Integration – Inklusion“ im Ideen- und Netw...

Von Seiten der Gesellschaft bestehen auch Hemmschwellen im Umgang mit Menschen mit schweren Behinderungen. Die Lebensrealitäten von Menschen mit schwerer Behinderung müssen für ein gelingendes Miteinander verstanden werden. MINCE ist entsprechend dieses Bedarfes auch als ein Modell des Verstehens und Zusammenlebens zwischen Individuen und Gesellschaft zu sehen. Das Projekt zielte mit der Entwicklung unterschiedlicher Methoden und Angeboten auf mehrere gesellschaftliche Ebenen und Zielgruppen ab und bildet in seiner Gesamtheit das Model for Inclusive Community Education. Aus Sicht der Projektpartnerschaft eignet sich Community Education dazu, Prozesse – wie den der Inklusion – in Gang zu bringen. Wagner/Steiner/Larissegger (2013) beschreiben dieses Potential der Community Education unter Bezugnahme auf unterschiedliche Studien: Community Education ist eine „Verbindung von Bildungsarbeit mit Gemeinwesenarbeit und/oder Regionalentwicklung“, sie schafft „Lerngelegenheiten innerhalb und für die Community“ und forciert „Partizipation und Empowerment von sozial Benachteiligten“ (S. 7). Auf diese und andere Wirkungen zielt auch die Aktionslinie 6 der LLL 2020 – Strategie zum lebensbegleitenden Lernen in Österreich ab, die eine Verstärkung der Community Education als wesentlichen Bestandteil eines lebensbegleitenden Lernens vorsieht (vgl. BMUKK 2011, S. 32ff).

Gemäß der Ideen des Empowerments und der Selbstvertretung war ein Ziel im Projekt, ein Training für Menschen mit Behinderung zu entwickeln, in dem sie lernen, als Peer-Vermittlerinnen oder Peer-Vermittler neben ihren eigenen auch die Interessen der Menschen mit schweren Behinderungen zu vertreten und in dieser neuen Rolle Brücken zwischen der Gesellschaft und den Menschen mit schweren Behinderungen zu bauen. Aufgrund ihrer eigenen Erfahrungen, z.B. in Bezug auf institutionelle Begleitung, Barrieren im Alltag oder Alltagsdiskriminierung, können sie sich in die Lebenssituationen anderer Menschen mit Behinderung zumeist gut einfühlen. Auf diese Erfahrungen wurde Bezug genommen und ein Curriculum für Peer-Vermittlung (Produkt 1) und ein Leitfaden für Peers in leichter Sprache entwickelt (STEP UP Leitfaden für Peer-Vermittlung, Produkt 2). Diese beiden Produkte unterstützen Peers dabei, Kompetenzen zu entwickeln, die sie zur Vertretung von sich selbst und der Menschen mit schweren Behinderungen benötigen. Somit können die geschulten Peers sicherstellen, dass die Bedürfnisse der Zielgruppe Menschen mit schweren Behinderungen adäquat berücksichtigt werden.

Außerdem wurden Maßnahmen zur Weiterbildung professioneller Begleiterinnen und Begleiter in der Behindertenarbeit entwickelt. Sie sind durch ihre Ausbildung auf die Alltagsbegleitung von Menschen mit schweren Behinderungen sehr gut vorbereitet und verfügen über großes Wissen und Kompetenzen im Hinblick auf Förder- und Unterstützungsmöglichkeiten. Der Bedarf an praktisch anwendbarem Wissen zu konkreten Schritten in Richtung Inklusion von Menschen mit (schweren und schwersten) Behinderungen ergibt sich oft erst aus alltäglichen Anforderungen und wird in den Grundausbildungen zu wenig berücksichtigt. Um diesem Bedarf zu begegnen, hat MINCE entsprechende Weiterbildungsmodule entwickelt.

Für Organisationen der Behindertenhilfe wurden Vorschläge erarbeitet, wie diese sich zukünftig noch zielgerichteter für die Inklusion der Gruppe der Menschen mit schweren und schwersten Behinderungen einsetzen, sich gegenüber der Gesellschaft mehr öffnen und Angebote auch für die Community anbieten können.

Kernelement der gesamten Projektarbeit war eine partizipative und inklusive Vorgehensweise. So wurden in die jeweiligen Entwicklungen die angesprochenen und betroffenen Personen und Zielgruppen bereits direkt miteinbezogen. In allen Partnerländern wurden Arbeitsgruppen gebildet, in denen sowohl Menschen mit Behinderung als auch professionelle Betreuerinnen und Betreuer sowie andere interessierte Personen mitarbeiteten. Durch diesen Ansatz waren alle im Projekt angesprochenen Zielgruppen auch als Expertinnen und Experten in die Entwicklung der einzelnen Maßnahmen und Produkte involviert.


Autorin:

Karin Kicker-Frisinghelli | Lebenshilfen Soziale Dienste GmbH

Karin Kicker-Frisinghelli ist diplomierte Behindertenpädagogin und Erziehungswissenschafterin. Seit 2014 ist sie bei der Lebenshilfen Soziale Dienste GmbH im Bereich der Forschung, Entwicklung und Innovationen tätig.

Die Lebenshilfen Soziale Dienste GmbH ist seit über zehn Jahren im Bereich von EU-Projekten tätig und hat Erfahrung in der Koordination und als Partnerin entsprechender Projekte. Zentrales Anliegen stellen dabei immer die Selbstbestimmung und Inklusion der Menschen mit Behinderung in die Gesellschaft dar.

E-Mail Adresse: karin.kicker-frisinghelli@lebenshilfen-sd.at

http://lebenshilfen-sd.at/ueber_uns/eu_projekte

Literatur:

  • BMUKK – Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur (2011): LLL 2020. Strategie zum lebensbegleitenden Lernen in Österreich. Online verfügbar: https://www.bmb.gv.at/ministerium/vp/2011/lllarbeitspapier_ebook_gross_… (08.06.2018).
  • Jantzen, Wolfgang (2015): Autonomie und Selbstbestimmung. In: Behinderte Menschen, Zeitschrift für gemeinsames Leben und Arbeiten, Jg. 38, H. 2, S. 49–59.
  • Wagner, Elfriede/Steiner, Mario/Lassnigg, Lorenz (2013): Community Education in Österreich. Eine Standortbestimmung. Endbericht. Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur. Online verfügbar: http://www.equi.at/dateien/CE-Endbericht_IHS.pdf (08.06.2018).

Foto: Aufstellungsübung zum Thema „Exklusion – Separation – Integration – Inklusion“ im Ideen- und Networkingpool „MINCE – Model for Inclusive Community Education“ © OeAD-GmbH/APA-Fotoservice/ Hörmandinger

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