Keine Zeit für eine Bedarfsanalyse? Programmplanung in Volkshochschulen im ländlichen Raum

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Programmplanung ist eine immer wiederkehrende, wichtige Aufgabe jeder Volkshochschule. Eine vorherige Bedarfsanalyse ist hilfreich, um ein nachfrageorientiertes Angebot zu entwickeln. In ländlichen Räumen, in denen entsprechend kleine Volkshochschulen vertreten sind, wird jedoch aus Kapazitätsgründen häufig auf eine Bedarfsanalyse verzichtet. Dieses Phänomen und mögliche Lösungsansätze wurden in der Arbeitsgruppe | des Bamberger Forums für Erwachsenenbildung am 23. November 2019 diskutiert. Die Arbeitsgruppe mit dem Titel "Fortbildung der Weiterbildner - Kooperatives Lernen von (verbandlicher) Volkshochschulpraxis und Erwachsenenbildungswissenschaft" wurde von Dr. Ralph Egler (Volkshochschule Leipziger Land), Prof. Dr. Bernd Käpplinger (Universität Gießen) und Prof. Dr. Ulrich Klemm (Sächsischer Volkshochschulverband) geleitet.
Programmplanung der VHS im ländlichen Raum
Zum Einstieg wurde ein Projekt der Universität Gießen in Zusammenarbeit mit dem Sächsischen Volkshochschulverband vorgestellt. Ziel dieses Projektes ist die Entwicklung eines operativen Planungsinstruments, mithilfe dessen eine Handreichung zur Bedarfsanalyse für die Programmplanung in der Erwachsenenbildung in ländlichen Regionen in Sachsen abgeleitet werden kann. Hintergrund dieses Projektes ist, dass in ländlich gelegenen Volkshochschulen häufig keine strategische Programmplanung betrieben wird. Auch das kurzfristige Programm wird meist ohne strukturiertes, methodisches Vorgehen geplant. In Folge dessen fallen viele der geplanten Angebote aufgrund mangelnder Nachfrage aus. Die Handreichung soll Volkshochschulen dabei unterstützen, diesem Problem entgegenzuwirken. Ein Entwurf dieser Handreichung wurde den Teilnehmenden der Arbeitsgruppe zur Verfügung gestellt. Darin wird die Bedarfs- und Programmplanung in drei Bausteine unterteilt: die Schreibtischarbeit, den Austausch vor Ort und die Durchführung von Erhebungen.
Konkurrenzdenken und knappe Ressourcen
Im Anschluss an die Einführung folgte eine Diskussion, welche zunächst in Form der Fishbowl-Methode durchgeführt wurde und sich im Laufe der Zeit zu einer offenen Diskussion entwickelte. Im Verlauf der Debatte wurden einige mögliche Gründe für die fehlende Bedarfsanalyse in ländlichen Volkshochschulen gesammelt. Es wurden die knappen zeitlichen Ressourcen sowie Faktoren wie Konkurrenzdenken und Misstrauen genannt. Letzteres verhindert, dass Kooperationen mit anderen Organisationen, Einrichtungen oder Vereinen eingegangen werden. Außerdem wurde festgestellt, dass die Programmplanung zunehmend nur verwaltend praktiziert wird, während das pädagogische Handeln keinen oder nur einen geringen Stellenwert einnimmt. Denn häufig sind nicht-pädagogische Mitarbeiter*innen für die Programmplanung zuständig.
Politische Maßnahmen als Lösung?
Es gibt die Möglichkeit, dass sich kleinere Volkshochschulen zu einem Verbund zusammenschließen. Als ein Vorschlag, um Kooperationen zu fördern, wurden politische Maßnahmen diskutiert. Beispielsweise kann die Auszahlung von Fördergeldern an die Bedingung geknüpft sein, dass nachweislich mit verschiedenen anderen Einrichtungen, Organisationen oder auch Wissenschaftler*innen Kooperationen gepflegt werden. Außerdem wurde angesprochen, dass es hilfreich sein kann, die Strukturen und Ressourcenverteilung der Volkshochschulen deutschlandweit durch eine entsprechende Gesetzgebung zu vereinheitlichen.
VHS als lernende Organisation
Als weiterer Diskussionspunkt wurde die Identität der Volkshochschulen aufgegriffen. Volkshochschulen haben in der Geschichte unterschiedliche Funktionen erfüllt und müssen sich ständig an den gesellschaftlichen Wandel anpassen. Es wurde angesprochen, dass das Selbstverständnis der Volkshochschulen erweitert werden muss, was eventuell einen Aufbruch der sechs Programmbereiche nach sich zieht. Als gelungenes Beispiel aus der Praxis wurde ein Mehrgenerationenhaus mit einer integrierten Geschäftsstelle in Sachsen genannt. In dieser Einrichtung wurde ein Begegnungsraum für die Anwohner*innen geschaffen, was die Anzahl der Angebote und Teilnehmer*innen der dortigen Volkshochschule stark anstiegen ließ. Als Fazit daraus wurde geschlossen, dass eine mögliche Lösung für eine Neuausrichtung der Volkhochschulen in ländlichen Räumen eine solche Zusammenarbeit sein kann, welche die Schaffung kultureller Zentren des Austausches ermöglicht.
"Die Zusammenarbeit von Praxis und Wissenschaft ist keine Einbahnstraße - beide Seiten profitieren vom Austausch."
Was kann die Wissenschaft leisten?
Als wichtiger Punkt zur Unterstützung der Volkshochschulen wurde schließlich auch die Zusammenarbeit mit der Wissenschaft diskutiert. Eine solche Kooperation ist nicht nur gewinnbringend für die Praxis, auch die Wissenschaft ist daran interessiert, was Praktiker*innen bewegt. Es wurde hervorgehoben, dass für eine Zusammenarbeit nicht immer große Forschungsprojekte gestartet werden müssen. Beispielsweise können im Austausch außerhalb solcher Projekte hilfreiche Anstöße gegeben und Reflexionsperspektiven aufgezeigt werden und auch die Teilnahme an einer Klausurtagung kann gewinnbringend sein. Es wurde darauf eingegangen, dass es wichtig ist zu akzeptieren, dass nicht immer sofort perfekte Lösungen gefunden werden. Außerdem wurde angesprochen, dass Praktikant*innen der Universitäten eingebunden werden können, die oft neue Perspektiven einbringen.
Fazit
Am Ende der Diskussion wurde festgehalten, dass die Zusammenarbeit von Praxis und Wissenschaft keinesfalls eine Einbahnstraße ist – beide Seiten können vom Austausch profitieren. Wichtig für eine erfolgreiche Programmplanung ist die Reflexion darüber, wie pädagogisch die pädagogische Fachkraft tatsächlich arbeitet und wie sie sich von einer Verwaltungsfachkraft unterscheidet. Auch die Frage nach der Identität der Volkshochschulen und die Notwendigkeit der ständigen Anpassung an gesellschaftliche Veränderungen wurden als zentral hervorgehoben.
