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Interkulturelles Lernen: Mein estnisches Abenteuer

Wenn mir vor zwei Jahren jemand gesagt hätte, ich würde in Estland einen mexikanischen Kochworkshop leiten, hätte ich denjenigen für verrückt erklärt ... aber zum Glück ist genau das passiert und ich möchte meine Erfahrung teilen.

Originalsprache: Estnisch

Lesedauer ca. 5 Minuten - Originalsprache Englisch

Tallinna Rahvaülikool - Die Schule für Lebenslanges Lernen in Tallinn

Ich heiße Rodyka López und ich bin eine mexikanische Studentin im internationalen Masterstudiengang „Adult Education for Social Change.“ Dieser Masterstudiengang ist ein Erasmus-Mundus-Mobilitätsprogramm, bei dem Student*innen 2 Jahre in 3 verschiedenen Ländern studieren müssen: Schottland, Malta und Estland. Ich bin Teil eines einzigartigen und hochinteressanten Programms. Ich habe die Möglichkeit gehabt, Menschen aus aller Welt kennenzulernen und Situationen zu erleben, die ich mir nie hätte erträumen können. Ich habe gerade mein drittes Semester abgeschlossen und muss sagen, dass es bis jetzt eine zwar ziemlich herausfordernde, aber dennoch bereichernde Erfahrung gewesen ist. Durch die Praxiskomponenten dieses Studiengangs habe ich viele Erfahrungen gesammelt und mir wurde im Zuge dessen ein tiefes kulturelles Verständnis vermittelt. In jedem Land, das wir besuchen, ist es Pflicht, ein Praktikum zu absolvieren. Dadurch arbeiten wir in den verschiedensten Einrichtungen und Bereichen der Erwachsenenbildung. Während meines dritten Semesters absolvierte ich mein Praktikum bei Tallinna Rahvaülikool („Schule für lebenslanges Lernen Tallinn“), einer Institution, die kulturelle und künstlerische Aktivitäten für die erwachsene Bevölkerung Tallinns anbietet. Ihr Angebotsspektrum umfasst unter anderem Sprach-, Theater-, Tanz-, Mal- und Kochkurse. Diese breit aufgestellte Auswahl an Möglichkeiten für Erwachsene aller Alters- und Interessengruppen lässt jeden auf seine Kosten kommen.  

Vom Sprachkurs…

Die erste Aktivität, bei der ich mitmachen durfte, war der Spanischkurs für Fortgeschrittene mit dem Professor Carlos Monroy. Dieser Kurs war eine tolle Erfahrung, bei der ich die Möglichkeit hatte, mit den dort beheimateten Menschen zu interagieren und zu beobachten, wie ein Sprachkurs in diesem Kontext abläuft. Ich stellte zum Beispiel fest, dass das Interesse der Lerner*innen und ihre Verbindung zum Kursinhalt stark von der Dynamik und dem Lehrstil des Professors abhängen.  Tatsächlich konnte ich hier einen der wesentlichen kulturellen Unterschiede beobachten, die mir in Estland begegneten: die Art und Weise, wie sich die Leute ausdrücken und kommunizieren. Carlos, der ja aus Spanien kommt, und ich, als Mexikanerin, haben eine sehr intensive—und laute—Art uns auszudrücken. Dagegen waren die Kursteilnehmer*innen viel reservierter und ernster. Carlos erzählte mir, dass er seit 7 Jahren in Estland lebt und arbeitet. Er erklärte, dass es für ihn als Professor sehr interessant war, die kulturellen Unterschiede und Klüfte zu beobachten, die zwischen ihm und seinen Student*innen liegen. Gleichzeitig findet er es aber auch spannend, Wege zu finden, diese zu überbrücken. In diesem Kurs hatten die Lerner*innen besondere Freude an spanischsprachigen Videos und Liedern; das war auch sehr ergiebig, um ihren Wortschatz und ihre Grammatik aufzubessern. Zudem sorgte es für mehr Offenheit und Fröhlichkeit im Kurs.

…zum interkulturellen Kochen!

Taller_mexa_0
Meine zweite Aktivität bei Tallinna Rahvaülikool bestand in der Gestaltung eines mexikanischen Kochworkshops, den ich zusammen mit meiner Freundin Karla Hinojosa, ebenfalls eine mexikanische Austauschstudentin in Tallinn, plante. Die Koordinierung des Workshops erfolgte dank der Institutsleiterin Hannelore Juhtsalu und der Koordinatorin Siret Campbell. Die beiden sagten, dass der Workshop sehr beliebt war und dass es bereits eine Warteliste gibt für den Fall, dass es einen zweiten Workshop geben könnte.

Am Anfang waren wir sehr nervös. Es war für uns schwierig, einen Workshop auf Englisch zu halten, weil das weder unsere Muttersprache noch die der Teilnehmer*innen ist. Karla und ich beschlossen, die Teilnehmer*innen in Zweiergruppen aufzuteilen, damit sie mit uns gleichzeitig arbeiten und stets alle aktiv mitmachen konnten. Zunächst war die Dynamik etwas befremdlich, da wir Wege finden mussten, die Leute im Raum zu verteilen, Anweisungen zu geben und gleichzeitig die Teilnehmer*innen kennenzulernen und das Eis zu brechen.

Mexikanische Musik als Eisbrecher

Wir entschieden, begleitend zum Kochen typische mexikanische Musik zu spielen. Sie kam sehr gut an; die Leute fingen an zu tanzen und andere bewegten sich und summten mit, während sie schnippelten und rührten. Ungefähr eine halbe Stunde später sahen alle entspannt und locker aus. Wir bereiteten Tacos und mexikanischen Flan zu. Beim Kochen versuchten wir, nicht nur die Zutaten und das Rezept zu erklären, sondern auch die Verbindung zur mexikanischen Kultur zu verdeutlichen, also zum Beispiel wo man die Speisen findet, welche regionalen Unterschiede es gibt, kurze Zusammenfassungen des Ursprungs gewisser Zutaten usw.

Taller_mexa_2

Nachdem wir fertiggekocht hatten, saßen wir alle zusammen, um zu essen und zu reden. Da fragten uns schon alle nach unseren Erfahrungen in Estland, unserem Leben in Mexiko und sogar nach unseren Zukunftsplänen aus. Das war sehr angenehm, da wir von unserer Kultur und über unsere Erlebnisse der vergangenen 4 Monate in Estland berichten konnten. Als Austauschstudentinnen ist es für uns ziemlich leicht, auf andere Leute aus dem Ausland  zu treffen, die auch gerade Estland besuchen. Es ist aber oft viel schwieriger, Est*innen kennenzulernen. Dieser Workshop bot die perfekte Gelegenheit, bilateral mit Menschen aus Estland zu interagieren.

Mir als Erwachsenenbildnerin hat diese Erfahrung sehr geholfen, die manchmal außer Acht gelassenen Faktoren zu begreifen, welche die Beziehungen zwischen Erwachsenenbildner*innen und -lerner*innen so stark beeinflussen können. Beim Spanischkurs wie auch im Workshop konnte ich erleben, wie der Lernprozess in nicht formellen Umgebungen aussehen kann. Die von Bildner*innen bereitgestellte und gestaltete interne Umgebung ist entscheidend, um Menschen sich wohlfühlen zu lassen und ihr Interesse zu halten. Außerdem ist Praxislernen für die Erwachsenenbildung besonders interessant, da die Lerner*innen so mehr Handlungsspielraum haben, ohne ihren individuellen Lernprozess einzuengen. Dank dieser Erfahrung ist mir bewusst geworden, wie wichtig es ist, traditionelle Lernformen weiterzuentwickeln und neue, innovative Räume zu schaffen, in denen Lerner*innen motiviert und aktiv an der Bildung teilnehmen.

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