Auf dem Weg zur Gleichstellung: Erfahrungsberichte engagierter Frauen
Der Originalbeitrag wurde ursprünglich auf Englisch von Roseline Le Squere veröffentlicht.
Segel setzen in Richtung Gleichstellung: Frauen und Männer auf den Wogen der Handelsmarine
Wenn es um die Gleichstellung der Geschlechter geht, nimmt in der Welt der Handelsmarine der Wandel allmählich konkrete Formen an. Da dieser Sektor traditionell oft als männliche Domäne betrachtet wird, habe ich die Entwicklung in diesem Bereich in einem Mutter-Tochter-Freundin-Dialog analysiert, der derselben Motivation entspringt: die Rechte der Frauen in Bereichen zu verteidigen, in denen die Stellung der Frau nicht gleichberechtigt ist, d. h. in ihrem täglichen Handeln aber auch in Bezug auf ihre beruflichen, persönlichen und bildungsbezogenen Kontexte.
Agathe Vigot ist 51 Jahre alt. Sie ist Offizierin der Handelsmarine bei Latitude Blanche mit Sitz in Marseille (Frankreich). Sie hat ein Abitur mit wissenschaftlicher Ausrichtung und ein Kapitänspatent (entspricht einem Diplom in Ingenieurwissenschaften) der École Nationale de la Marine Marchande (Nationalakademie der Handelsmarine) sowie einen Master-Abschluss in Ausbildungstechnik. Außerdem war sie Direktorin einer Bildungseinrichtung im maritimen Bereich und ist die Mutter von Coline Vigot, ihrer 25-jährigen Tochter. Coline ist Entwicklungshelferin im Maison des Femmes in Saint-Denis. Sie hat einen wissenschaftlichen Hochschulabschluss. Sie ist Diplom-Ingenieurin für Agrarökonomie und hat einen Master-Abschluss in der Gestaltung und Konzeptionierung von Entwicklungsprojekten (von der Universität Bordeaux, Frankreich), der ihr eine Neuausrichtung ermöglichte. Darüber hinaus hat sie für die Vereinigung Mamama (im Bereich Kinderarmut) gearbeitet, wo sie für die Gesamtkoordination und ein Projekt zur sozialen Integration verantwortlich war.
Agathe ist auch mit Anne Chiffard, 43, befreundet. Anne ist Chefmechanikerin bei La Grande pêche. Sie besitzt eine Zertifizierung als Chefingenieur über 8000 kW der Handelsmarine und war früher für die Compagnie Française du Thon Océanique tätig.
Auf den Spuren der Tradition: Frauen auf See
Die Handelsmarine mit ihrem jahrhundertealten maritimen Erbe wird seit jeher mit einem maskulinen Erscheinungsbild assoziiert, das von harten Männern und unerschrockenen Kapitänen geprägt ist. Doch die Zeiten ändern sich und Frauen nehmen heute Positionen ein, die früher Männern vorbehalten waren und schreiben so die Geschichte der Schifffahrt neu.
Frauen in der Handelsmarine sind mit besonderen Herausforderungen konfrontiert und beweisen jeden Tag aufs Neue ihre Kompetenzen und den Willen, in diesem fordernden Bereich erfolgreich zu sein. Die zunehmende Präsenz von Frauen an Bord von Handelsschiffen, sei es als Navigations- oder technische Offizierinnen oder als Besatzungsmitglieder, ist ein vielversprechendes Zeichen für eine Entwicklung hin zu mehr Inklusion.
Vergleich mit sozialen Berufen: Eine Vielfalt von Horizonten
Im Vergleich mit der Schifffahrt werden soziale Berufe oft als offener im Hinblick auf geschlechterspezifische Diversität wahrgenommen. Bereiche wie Sozialarbeit, Psychologie und Sozialhilfe werden seit langem von Frauen, nun aber zunehmend auch von Männern ausgeübt.
In diesen Bereichen hat die „Geschlechterbarriere“ allmählich ihre Bedeutung verloren, so dass der oder die Einzelne seine oder ihre Karriere auf Grundlage seiner oder ihrer Fähigkeiten und nicht aufgrund von Geschlechterstereotypen beginnen kann. Diese Offenheit hat zu einer ausgewogeneren Verteilung der Geschlechter in diesen Sektoren geführt.
Coline weist jedoch darauf hin, dass sie in den Berufsbildungskursen, an denen sie teilnimmt, feststellt, dass Männer wenig in dieses Berufsfeld investiert haben, obgleich in ihrem beruflichen Umfeld das Geschlecht keine Rolle spielt. Besorgt sie das?
Coline, die im Maison des Femmes in Saint-Denis (Frankreich) arbeitet, einer zentralen Anlaufstelle für Frauen, die sich in Schwierigkeiten befinden oder Opfer von Gewalt geworden sind, sagt, dass es insbesondere für Frauen, die Opfer von Gewalt geworden sind, wichtig ist, in der Gegenwart männlicher Fachpersonen positive Männlichkeit zu erleben. „Es ist wichtig, Männer zu begegnen, mit denen es gut läuft.“
Dauerhafte Herausforderungen auf See: Die Wogen des weiblichen Einflusses
Trotz der Fortschritte in der Handelsmarine gibt es noch immer zahlreiche Herausforderungen zu meistern. Frauen haben noch immer mit Vorurteilen zu kämpfen, sind in Führungspositionen unterrepräsentiert und sehen sich mit Hindernissen konfrontiert, die mit dem Leben auf See einhergehen (z. B. die Bewältigung familiärer Verpflichtungen). Es scheint jedoch, dass nun auch die Männer mit den Schwierigkeiten, ihre Familien auf See für längere Zeit zurücklassen zu müssen, allmählich offener umgehen. Die Rolle der Frauen an Bord kann dann die einer Vertrauensperson sein, wie Anne beschreibt. Frauen können an Bord beispielsweise bei der Bewältigung emotional schwieriger Situationen helfen, die zwischen Männern und Frauen oft leichter besprochen werden können als in einer ausschließlich männlichen Welt.
Agathe erinnert uns daran, dass soziale Beziehungen notwendigerweise durch die Tatsache bestimmt sind, ob jemand männlich oder weiblich ist. „Wir haben nicht die gleiche Beziehung zu den Menschen. Anne und ich sind Managerinnen. Wenn ich die Seeleute betreue, bin ich also auch in der Fürsorge tätig. Für Männer ist es einfacher, Frauen etwas zu erzählen. Sie können private Informationen preisgeben, die im beruflichen Umfeld berücksichtigt werden müssen. Das ist einfacher, weil du eine Frau bist.“
Anne erinnert sich, dass sie oft als Vermittlerin zwischen dem Kommandanten und ihren Kollegen fungieren musste. „Die Tatsache, dass ich eine Frau bin, bringt sie dazu, mehr über sich zu erzählen. Auf dem Thunfischboot nannten sie mich Mama.“
Auch wenn es nur langsam voranzugehen scheint, arbeiten die Schifffahrtsverbände und -unternehmen aktiv daran, diese Barrieren zu beseitigen und die Gleichstellung der Geschlechter zu fördern.
Dieser Artikel wurde von Roseline Le Squère, thematische Experten-Koordinatorin von EPALE Frankreich, verfasst. Ich möchte Agathe Vigot, Coline Vigot und Anne Chiffard herzlich für ihre Stellungnahmen danken. Der zweite Teil wird am 15. März veröffentlicht. Der Artikel ist auf Französisch auf EPALE français verfügbar.