Allgemeinbildung für eine Gesellschaft in der digitalen Welt

Nach der Veröffentlichung der Nationalen Weiterbildungsstrategie wird auf den Seiten von wb-web in mehreren verlinkten Texten darauf hingewiesen, dass auch die allgemeine Erwachsenenbildung einer stärkeren Förderung bedarf, um die Kompetenzen für das Leben in einer digital geprägten Welt zu entwickeln und eine chancengerechte gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen. Im Folgenden werden Beispiele dafür gegeben, dass die allgemeine Erwachsenenbildung hier ein starker Partner sein kann.
Bedeutung der allgemeinen Erwachsenenbildung
Die allgemeine Erwachsenenbildung findet im Zusammenhang mit der Digitalisierung zu wenig Beachtung! Dies stellt Lars Kilian im Blogbeitrag Darf es ein bisschen mehr Erwachsenenbildung sein? völlig zu Recht fest. Dabei hat die Erwachsenenbildung Lösungen für Problemlagen zu bieten, die mit einer rein beruflichen Qualifizierung nicht zu beheben sind.
Offliner und Berufstätigkeit
Augenfällig ist, dass nach Ergebnissen des Digital-Index 82% der Offliner nicht berufstätig sind (D21 Digitalindex 2018/19, S.19). Nicht alle Offliner sind Senioren. Ohne einen Zugang zu allgemeiner Bildung über Digitalisierung und eine allgemeine Qualifikation im Umgang mit digitalen Medien wird ihnen nicht nur ein potenzieller Wiedereinstieg in eine berufliche Tätigkeit oder eine berufliche Neuorientierung erschwert, sondern auch eine Teilhabe an gesellschaftlichen Entwicklungen und Diskursen.
Motivieren und ansprechen
Es ist für Lernende wichtig zu wissen, wozu sie etwas lernen. Der Top-Motivator für die Nutzung des Internets lautet unter den Offlinern: „Wenn ich einen klaren Nutzen für mich erkennen würde.“ (D21 Digitalindex 2018/19, S.19). Der Einsatz digitaler Medien bedarf einer inhaltlichen, konzeptuellen Einbettung und eines reflektierten Umgangs mit den Medien und ihren Inhalten. Das heißt, für die Nutzung eines Mediums braucht man ansprechende Inhalte. Diese bietet die öffentlich geförderte Erwachsenenbildung in ihren vielfältigen allgemeinbildenden Angeboten von Grundbildung über Schulabschlüsse, Familienbildung, politischer Bildung bis hin zu Fachveranstaltungen über Kunst und Kultur. Menschen aus allen Bevölkerungsschichten und mit verschiedensten Bildungshintergründen werden hier angesprochen. Digitale Medien können inhaltsgeleitet die Zusammenarbeit in Präsenz und Online-Phasen bereichern und damit auch zur Kompetenzentwicklung für eine gesellschaftliche Partizipation in den digitalen Medien beitragen.
Wissen und Kompetenzen
Nicht nur die Offliner wurden im Digital-Index betrachtet, denn die Mehrheit der Bevölkerung verfügt ja über Kompetenzen im Umgang mit digitalen Medien. Wichtig ist daher die Frage, welche Kompetenzen und welches Wissen die Bevölkerung in Deutschland zum Thema Digitalisierung mitbringt. Befragt wurde im Digital-Index die "deutsche Wohnbevölkerung ab 14 Jahren in Privathaushalten". Es handelt sich um eine "mehrfach geschichtete, bevölkerungsrepräsentative Zufallsstichprobe" (D21 Digital-Index 2018/19, S. 6).
Insgesamt steigen die Kompetenzen seit Jahren. Ein nicht zu unterschätzendes Problem ist jedoch, dass "die eigene Kompetenz [...] teilweise überschätzt [wird]. Viele ordnen den Begriffen, von denen sie angeben, sie zu kennen, die falschen Erklärungen zu" (D21 Digital-Index, S. 31). Den eigentlich geläufigen Begriff künstliche Intelligenz meinen 52% der Befragten zu kennen oder erklären zu können. Doch aus vier möglichen Antworten (Antwort 4 = Weiß nicht / keine Angabe) kreuzen nur 34% die richtige Erklärung an. Bei den Begriffen Algorithmus, Bot und Internet der Dinge liegen die Angaben noch darunter. Im Digital-Index heißt es wörtlich: „Die Mehrheit der Deutschen kennt nach wie vor die meisten Fachbegriffe aus der digitalen Welt nicht. Hier nehmen die Kompetenzen sogar eher ab.“ (D21 Digital-Index 2018/19, S. 29)
Gesellschaftliche Teilhabe fördern
Wer gesellschaftliche Partizipation ernst nimmt, muss erkennen, dass hier ein Wissensdefizit entsteht. Das kann zu Frustrationen führen, wenn eine Regierung, so die niedersächsische Landesregierung im Masterplan Digitalisierung, unter dem Titel "Big Data für digitale Geschäftsmodelle" auch das Ziel einer "Ausweitung der kostenlosen Verfügbarkeit von Landesdaten für alle Bürgerinnen und Bürger unter dem Stichwort 'Open Data'" verfolgt. (Masterplan Digitalisierung. Die Strategie Niedersachsens zur digitalen Transformation, S. 56). Der Masterplan versteht sich als "Meilenstein in der Kommunikation zwischen Staat und Bürgerschaft" (S. 124). Aber die Bürgerinnen und Bürger müssen auch eine Chance bekommen, das Anliegen zu verstehen. Diese Zusammenhänge machen das Angebot also nicht nur zu einer Chance für die Wirtschaft, sondern auch zu einer Aufgabe für die politische Bildung, nämlich nachzuhaken, um Demokratie zu leben und glaubhaft vermitteln zu können.
Stärken der öffentlich geförderten allgemeinen Erwachsenenbildung
Die vielfältigen Angebote und die Lerngegenstände der öffentlich geförderten Erwachsenenbildung sind eine ideale Basis, um individuelle Handlungsmöglichkeiten, Kompetenzen und das Wissen im Umgang mit digitalen Medien zu erweitern. Die breite Streuung der Einrichtungen in urbanen wie ländlichen Regionen bietet das Potenzial, Menschen in vielen Lebenszusammenhängen zu erreichen. Die lokale Präsenz kann dafür verwendet werden, in der Bevölkerung die Nutzungsweise der digitalen Anwendungen zu diskutieren und Strategien im Umgang mit den Werkzeugen zu entwickeln.
Bedarfe der öffentlich geförderten Erwachsenenbildung
Dafür braucht es Ressourcen und Qualifikation - auf Seiten der Lernenden, der Lehrenden und der Institutionen. Anders als die Schulen und Hochschulen erhielten die Einrichtungen der öffentlich geförderten Erwachsenenbildung noch keine umfassende Unterstützung für digitale Infrastruktur, Organisationsentwicklung, Qualifizierung und Konzeptentwicklung. Auch eine Linie zur umfassenden Förderung der digitalen Kompetenzen aller Erwachsenen gibt es fast nicht, genauso wenig die Förderung einer Qualifizierung der Lehrenden, Trainer/-innen oder Kursleitenden, die aufgrund ihrer oftmals prekären Arbeitsbedingungen wenig Zeit und Geld haben, um sich in diesem Bereich fortzubilden. Schon im Monitor Digitale Bildung. Die Weiterbildung im digitalen Zeitalter aus dem Jahr 2017 wird gefordert, Weiterbildungspersonal für digitales Lernen fortzubilden und ein Stipendienprogramm für Lehrende aufzubauen, die sich im Bereich digitales Lernen fortbilden wollen. (Monitor Digitale Bildung. Weiterbildung, S. 51).
Insbesondere der öffentlich finanzierte Bereich der Erwachsenen- und Weiterbildung, in dem die staatlichen Investitionen zwischen 1995 und 2012 sogar um 41 Prozent reduziert wurden (Monitor Digitale Bildung. Weiterbildung, S. 51), benötigt zeitliche und finanzielle, zusätzliche personelle Ressourcen, wenn das lebensbegleitende Lernen für die Bürger/-innen in Deutschland datensicher und bezahlbar bleiben soll. Nach den Förderprogrammen für Schulen und Hochschulen ist es höchste Zeit für eine bundesweite Strategie, die alle öffentlich geförderten Einrichtungen der Erwachsenen- und Weiterbildung in den Blick nimmt.
Literatur
D21 Digital-Index 2018/2019: https://initiatived21.de/app/uploads/2019/01/d21_index2018_2019.pdf (letzter Zugriff: 03.07.2019)
Masterplan Digitalisierung. Die Strategie Niedersachsens zur digitalen Transformation. https://www.niedersachsen.de/download/135219/Masterplan_Digitalisierung_Die_Strategie_Niedersachsens_zur_digitalen_Transformation.pdf (letzter Zugriff: 03.07.2019)
Monitor Digitale Bildung. Die Weiterbildung im digitalen Zeitalter. https://www.bertelsmann-stiftung.de/fileadmin/files/user_upload/BSt_Monitor_Digitale_Bildung_WB_web.pdf (letzter Zugriff: 03.07.2019)
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