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Ehrenamt! Ehren-Amt? Was macht das Ehrenamt mit der Erwachsenenbildung?
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"Willst du froh und glücklich leben, lass kein Ehrenamt dir geben." Wilhelm Busch hatte wenig übrig für freiwilliges Engagement. "Willst du nicht zu früh ins Grab, lehne jedes Amt gleich ab", riet er in einem seiner ironischen Gedichte. Der Lohn fürs Ehrenamt sei höchstens Undankbarkeit.
Das scheinen sich circa ein Drittel der Bürger:innen in Deutschland nicht zu Herzen genommen zu haben.
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Statistische Erkenntnisse
Die neueste Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung e.V. (DIW) bestätigt viele vorherige Erkenntnisse zum Thema Ehrenamt: Das Ehrenamt ist in Deutschland so verbreitet wie eh und je, sogar mit steigender Tendenz. So hat sich im Verlauf von knapp 20 Jahren der ehrenamtliche Einsatz von Menschen ab 17 Jahren um 4 Prozentpunkte noch oben entwickelt: von 27,3 auf 31,8% der Bevölkerung sind 2017 ehrenamtlich tätig gewesen, und das in Sportvereinen, kulturellen Einrichtungen, Schulen und Kindergärten, in sozialen Einrichtungen u.a.
Dabei gibt es stabile und signifikante Faktoren für die Beteiligung am Ehrenamt:
- Wer einen höheren Bildungsabschluss hat, ist öfter ehrenamtlich tätig.
- Ehrenamt ist in kleineren Kommunen eher verbreitet als in Großstädten.
- Menschen mit einem aktiven sozialen Leben, mit häufigem Kirchenbesuch, mit politischer Aktivität sind zu einem höheren Prozentsatz ehrenamtlich aktiv als diejenigen, die diese Attribute nicht aufweisen.
- Jüngere Menschen sind zu einem höheren Anteil ehrenamtlich tätig als Menschen nach Eintritt in das Rentenalter. Allerdings können hier die Ergebnisse kommender Untersuchungen Veränderungen anzeigen: einerseits durch den verstärkten Übertritt der Baby-Boomer in die Rente (denn diese Gruppe bleibt offensichtlich auch dann ehrenamtlich hoch aktiv), aber auch durch das verstärkte Engagement der jüngeren Generation im Bereich Klimawandel, z.B. Fridays for future.
Interessant sind auch die Motive derjenigen, die einen Teil ihrer Freizeit (meist eben neben dem Job!) hergeben:
In einer Studie des Bundesministeriums für Familie und Jugend aus 2013 war das häufigst genannte Motiv mit 73% Zustimmung „weil es Spaß macht“, aber mit 72% folgte bereits: „weil ich dabei etwas lerne“. Neben vielen anderen Motiven für die Ehrenamtlichentätigkeit zeigt sich also, dass auch „ich-bezogene“ Motive Menschen zum Ehrenamt bringen, für viele dient das Ehrenamt auch der beruflichen Qualifikation. Dies bestätigt sich auch durch neuere Untersuchungen: knapp ¾ der Befragten einer Studie aus 2015 (https://www.dza.de/forschung/fws.html) geben an, ihre persönlichen und/oder sozialen Kompetenzen erweitert zu haben.
Eine genaue Zuordnung zum Bereich Bildung oder gar Erwachsenenbildung lässt sich aus den Daten des DIW nicht vornehmen, weil die Kategorien hier anders benannt werden: Besonders aktiv sind die Bürger:innen in Deutschland in Sportvereinen, in der Kirche, in sozialen Einrichtungen und in Schule und Kindergarten. Aber diese Bereiche könnten alle mit dem Bereich „Bildung“ oder gar „Erwachsenenbildung“ in Zusammenhang gebracht werden.
Ehrenamt in der Arbeit mit Geflüchteten
Gerade mit dem verstärkten Zuzug von Geflüchteten nach Deutschland ab 2015 hat es einen bemerkenswerten Schub an Ehrenamtlicher Tätigkeit in der Erwachsenenbildung und verwandten Bereichen gegeben, und das hat die Einrichtungen, die in diesem Sektor der Bildung unterwegs sind, nicht unverändert gelassen: wie geht eine Einrichtung mit diesen „neuen“ Mitarbeiter: innen um? Schon falsch, es sind ja im sozialversicherungstechnischen Sinne keine Mitarbeiter:innen. Wie steht Ehrenamt zu „Haupt“amt? Wie das Engagement Vieler anerkennen, ohne die professionelle Arbeit zu gefährden? Gerade in der Erwachsenenbildung, die von vielen freiberuflichen Kursleiter:innen „lebt“, war das von Anfang an eine wichtige Frage. Entsteht hier ein Verdrängungswettbewerb? Was kann die eine Gruppe von der anderen lernen? Wo ist die Grenze, was ist das jeweilige Rollenverständnis?
Im Folgenden möchte ich vier Beispiele geben, wie dieser beiderseitige Lernprozess vorangetrieben werden kann:
- Das Projekt Casework (finanziert durch die EU im Rahmen des Programms ERASMUS +)
Dieses Projekt wird bereits in einem anderen Blogbeitrag auf EPALE vorgestellt, daher verweise ich auf diesen, denn dort wird das Projekt und das im November startende kostenlose Lernangebot sehr detailliert vorgestellt: Lesen Sie hier.
- Das Projekt Ehrenamtsportal des Deutschen Volkshochschul-Verbands (DVV, finanziert durch das BMBF)
Das Projekt „Ehrenamtsportal“ des DVV existiert schon seit 2016 und es hat 3 Bausteine: Ees bietet online unter dem Begriff „Themenwelten“ Informationen zu Fluchtursachen, Hintergründen, Fluchtländern etc. an, diese werden ständig erweitert und aktualisiert. Unter dem Begriff „Tipps“ finden sich viele Tipps zu rechtlichen Fragen, zur Rolle, zu Organisationen etc. Vielleicht am hilfreichsten ist der Baustein „Sprachmodule“, in dem sich viele Materialien zur Gestaltung von Unterstützungsleistungen Ehrenamtlicher im Spracherwerb finden. Denn das ist wichtig, gerade im Bereich Sprachbildung: Ehrenamtliche sollten sich, das ist das Credo, nicht als „Kursleitende“ für Deutsch empfinden, dies ist eine Überstrapazierung ihrer Rolle und unterminiert im Übrigen auch die (oft genug nicht ausreichend) bezahlte Tätigkeit von freiberuflichen Erwachsenenbildner:innen. Näheres dazu: https://vhs-ehrenamtsportal.de/uber-uns#das-projekt-1
- Das Verhältnis von Kursleitenden zu Ehrenamtlichen
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- Das Forum Flüchtlingshilfe in Hamburg
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Fazit
Ehrenamt ist weiterhin im Kommen, die Bereitschaft dazu ist vor allem eine Bildungsfrage und nicht eine Frage von Generationenzugehörigkeit, und das Ehrenamt verändert sich: weg von der „lebenslangen“ Zugehörigkeit zu einer Freiwilligengruppierung (darunter leiden gerade das THW und die Freiwilligen Feuerwehren sehr!), hin zu Aktivitäten im sozialen Bereich, die aber auch Spielraum lassen für sich verändernde Lebensentwürfe, Mobilität und eigene Motive wie z.B. die Erweiterung der sozialen Kompetenzen. Und: Ehrenamt braucht „Haupt“amt, dieser Satz war schon immer richtig und in der Erwachsenenbildung besonders. Organisationen, die mit Ehrenamtlichen arbeiten (wollen), müssen dieses in ihr Organisationsgeschehen einbeziehen: Anerkennung, Fortbildungsmöglichkeiten, Einbindung bis zu einem gewissen Grad, ggf. auch Übergänge schaffen. Und: Ehrenamt ist kein AMT, es sollte aber dem/der Tätigen und der Organisation zu Ehren gereichen. Also, hilfreich sein, weiterbringen, auf einander zu arbeiten.
Übrigens
Übrigens war das Ehrenamt Ende 2018 Themenschwerpunkt auf EPALE Deutschland, und es gibt eine wirklich ausführliche Linksammlung verschiedenster Quellen/Informationen. Reinschauen lohnt sich!
Und als neueste Info: Die Bundesregierung will ehrenamtliches Engagement einem Bericht zufolge finanziell stärker fördern, durch die Erhöhung der Ehrenamtspauschale.
Über die Autorin: Heike Kölln-Prisner ist seit 1986 in der Erwachsenenbildung tätig, spezialisiert auf Grundbildung, Projektmanagement und Bildung für Benachteiligte. Sie ist des Weiteren EPALE Botschafterin.
Hier finden Sie weitere Blogbeiträge von Heike Kölln-Prisner:
100 Jahre Volkshochschulen: Demokratie braucht Bildung. Mehr denn je?

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